19.8.05

hauptsache ne fahne

lagebericht aus einer christlich besetzten stadt.

es traf uns ein wenig unvorbereitet. leise hatten wir uns gefreut, dass die kölner in diesem jahr neben dem obligatorischen rheinhochwasser auch noch von einer schlabbrig lauen welle blutleerer pilger überschwappt würde. diesig, trübe, langweilig, abgestanden. toll.

aber es kam anders. ohne viel aufhebens darum zu machen halste sich auch die domlose allem weltlichen zugewandte sympathische heidengemeinde düsseldorf jede menge christentouristen auf. und nun sitzen sie hier auf irgendwelchen plätzen rum und sind im wesentlichen da. was sie hier tun ist für den aussenstehenden schwer zu erkennen. aber es scheint bedeutend zu sein.

sonst würden sie ja nicht mit wasser und kostenlosen mahlzeiten versorgt werden. es würden keine mittelwichtigen straßenverbindungen gekappt werden um dort zeltlager aufzubauen, es würde nicht in kauf genommen werden, das die einheimische bevölkerung keine öffentlichen verkehrsmittel mehr benutzen kann, weil diese an den normalen haltestellen wegen überfüllung garnicht mehr halten. sowas geht nur mit wichtigem auftrag. aber mit welchem?

vielleicht "singen ohne vorher zu saufen"?



- bemerkenswert, aber nicht wirklich wichtig. das ergebnis ist ja das gleiche wie bei "singen mit vorher zu saufen". es fehlt der nutzen für die weltgemeinschaft. ausserdem kann mir keiner erzählen, dass der hier wasser in der flasche hat:



auch die meisten anderen beobachtbaren verhaltensweisen lassen den gemeinen rheinländer etwas ratlos zurück. allen voran das inbrünstige herumschleppen von nationalflaggen. die sache mit der grenzenlosen glaubensgemeinschaft muss in jedem fall ein missverständnis gewesen sein. manch einer erinnert sich dunkel kirchentage und ostermärsche, in denen es um weltfrieden und solchen kram ging. da gabs "pace" flaggen und friedenstauben. aber mit sowas scheinen die pilger nicht so viel an der fahne zu haben. ist ja auch von gestern, irgendwie.



[der moderne christ richtet den blick visionär nach vorn.]

heute sagt man besser erstmal wo man wech kommt. sonst gibts nachher noch so blöde verwicklungen. und da sich niemand sicher sein kann, dass seine fahne auch wirklich von allen erkannt wird, brüllt man es jedem passanten sicherheitshalber zusätzlich entgegen. deshalb wissen die meisten von uns jetzt wenigstens endlich wie die fahne von portugal eigentlich genau aussieht.


[nämlich so]



[die hier kannten wir ja schon. trotzdem danke.]


[aber auch oft unterschätzte kleinstvölker in randgebieten erfahren endlich die verdiente weltweite akzeptanz.]

dass man bei dieser völkerverständigenden tätigkeit auf radwege, ampeln und sonstige extase-hemmnisse keine rücksicht mehr nehmen kann ist nachvollziehbar. darauf reiten ja auch schon genug andere rum. schade nur, dass arglose düsseldorfer schüler in dieser stadt für jede bei rot überquerte fussgängerampel fünf euro zahlen dürfen. aber die singen natürlich auch nicht so fröhlich dabei. und spielen auch nicht vor dem rathaus ringelpietz mit fast ohne anfassen:


[den rheinischen frohnaturen im vordergrund fehlt dabei aber eindeutig der sex-appeal.]

vielleicht sollten wir die alle nochmal nächstes jahr im februar einladen. dann sind wir drauf eingestellt und zeigen denen mal was ein anständige interkulturelle orgie ist. mit unserer radikalen umdeutung des fahnenbegriffs werden vielleicht nicht alle klarkommen, aber na gut.

dabei sollten sich unsere ordnungshüter mal nicht vertun. aus der nähe betrachtet haben die beseelten schäfchen was geradezu subversiv heterogenes. nicht jeder hat etwa die vorgeschrieben sandalen an.:


[die militarisierung der christenheit: deutschlands führender kämpferin gegen den islamistischen terror gefällts schon.]

und nur manche schleppen eine verstimmte wandergitarre mit sich rum. und das der spanische smarty mit carhartt shirt und sonnenbrille sich nicht gleich an die minirock-barbie aus kalifornien ranschmeisst liegt ausserhalb meiner vorstellungskraft. aber die ist beschränkt und vielleicht heiraten sie ja vorher auch noch.

im sinne der oberen gleichmäßig erleuchtete schafsköpfe haben sich die meisten hier jedenfalls anders vorgestellt. und auch unsere pfadfinderfreunde aus der pfalz haben nicht sofort eine erklärung für alles, was sie sehen.



[nach dem dritten bier wird das bei denen aber meistens besser.]



was die durchschnittliche uniformierte pilger-trine so antreibt, entzieht sich leider vollständig meiner kenntnis. aber genau das rauszufinden könnte am ende ja der reiz der ganzen veranstaltung sein. neben dem auswendiglernen wenigstens der wichtigsten staatsflaggen. und der antwort auf die frage:


[was für eine fahne ist das?]

ich gebs ja zu, im ersten moment dachte ich: "jetzt isses also passiert. die russen stehen am jan wellem. und eingebrockt hats uns natürlich der blöde bayer." aber dann fiel mir auf, dass die russische flagge irgendwie anders rum ging. als mir der schreck aus den gliedern wich, waren die jungs schon weg. für einen sachdienlichen hinweis wär ich trotzdem dankbar. denn diese woche sind wir in ermangelung einer ausweichgelegenheit ja alle weltjugend-dingsis. so wie die, die auf dem burgplatz zur uneuphorisiert völlig unverträglichen sex bomb darbietung einer viertklassiken lokalen coverband eine fahnenpolonaise inszenieren, oder wie die, bei denen die explosive mischung aus englischkenntnissen und authoritätsglauben dann doch zu einem gewissen inkompatibilitätsgefühl führen. aber schon die herren kardinäle mussten ja einsehen, das man nicht immer im griff hat, wer so alles kommt, wenn man ruft. da müssen die jetzt durch. uns hat ja schliesslich auch keiner gefragt. dabei haben wir noch nicht mal gerufen.

und vielleicht macht der papst, wenn er das alles hört, die katholische kirche ja bald zu einem exklusivclub für gesinnungsgeprüfte senioren. dann sag ich auch nix mehr zu den kosten für das pilgerwasser. war ja dann für einen guten zweck.

2 Comments:

atompommes said...

Sehr schöne Betrachtung, das. Und den Begriff "Pilger-Trine" solltest Du Dir rechtlich schützen lassen. Übrigens: die blau-weiß-rote Flagge ist die Flagge der Sorben, eines westslawischen Volkes, das in der Ober- und Niederlausitz beheimatet ist. Näheres weiss die Wikipedia (URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Sorben).
Hab' ich mich aber beinahe auch nach totgegoogelt. Und? Auch "Be-ne-det-to Be-ne-det-to"-Sprechchöre in der Hochburg des rheinischen Kapitalismus?

5:05 PM  
great dynamo said...

die sorben. also doch eine vorhut der roten armee.

benedetto wurde hier nur am rande behandelt. er war ja auch nicht hier. wahrscheinlich hatte die flaggenerläuterung deshalb vorrang.

6:54 PM  

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