22.6.05

Your lupines, please!

Teil 2.

Im Vergleich zu Frau Engelen-Kefer sind finnische Politiker etwas zurückhaltender. Die einen posieren auf Wahlkampfplakaten mit einer Sense (vermutlich, weil sie sich bei der Landbevölkerung einschleimen wollen), andere kriegen vom Grafiker direkt listenweit die gleiche Schmuckfarbe für die Lippen verpasst (gilt für Mann wie Frau).
Aber: finnische Politiker fallen durchweg positiv wegen ihrer Bescheidenhait auf. So hat Matti Vanhanen (der finnische Premierminister) vor einigen Jahren die Übernahme des Premierministerpostens zunächst abgelehnt, weil er an und für sich mehr Zeit mit seiner Familie verbringen wollte. Und wenn Frau Staatspräsidentin Halonen ein neues Automobilwerk einweihen geht, dann bringt sie flugs ihren Mann mit. Im Gegensatz zu ihr hat ihr Gatte nämlich einen Führerschein und kann das erste Auto ordentlich vom Fliessband fahren. Ist ohnehin ganz praktisch: dann kann er sie nämlich auch zur Eröffnung mitnehmen und sie braucht nicht mit dem Bus zu fahren.

Überhaupt das Autofahren in Finnland. Nirgends bricht sich die Ungleichheit in dieser Gesellschaft deutlicher Bahn. Nun gut: jeder zahlt an der Tankstelle seinen Euro fünfundzwanzig pro Liter Eurosuper ein (unter der Woche auch gerne noch mehr). Gerade an Steigungsstrecken zeigt sich dann aber die Ungleichheit: während der Durchschnittsverdiener in seinem mittelalten Mittelklasseauto mit durchschnittlich 110 an Steigungen die LKW überholt, kommt kurz vor Ende der Zweispurigkeit immer noch einer, der in einem Neuwagen mit 140 alle anderen überholt. Aber immerhin: ohne zu drängeln. Bei einer maximal erlaubten Geschwindigkeit von 120 km/h auf Autobahnen. Hinten auf dem Auto steht dann meist was von "3.0 24V". In Finnland ist das Dreiliterauto eins mit drei Litern Hubraum. Wie sich das gehört!


Während das Unterlassen des Anbringens der Parkscheibe mit 40 Euro zu Buche schlägt, werden Geschwindigkeitsüberschreitungen hierzulande nach Dicke des Geldbeutels geahndet. Wer mehr verdient, zahlt auch mehr, je schneller er fährt.
Unvergessen jedenfalls die Szene, als sich zwei der NewEconomy-Gewinnler vor einigen Jahren mit ihren Lamborghinis ein Hochgeschwindigkeitsrennen auf der Autobahn lieferten. Beide hatten ein Jahreseinkommen von umgerechnet 2,5 Millionen Euro und wurden dem Vernehmen nach mit je knapp 100.000 Euro zur Kasse gebeten. So saniert man einen Staatshaushalt, Herr Eichel!

Nun - staatssozialistisch geprägt, wie sie nun mal sind, verzichten die Finnen dieses Jahr gar auf ihr Wirtschaftswachstum. Denn im Augenblick tobt ein Arbeitskampf in der Papierindustrie, der pro Tag einen Zehntel Prozentpunkt des Wirtschaftswachstums auffrisst (erwartet werden 3 Prozent BIP-Wachstum. Und der Streik geht jetzt auch schon seit sechs Wochen (bald 30 Tage). Bleibt also nix übrig).
Wie immer, wenn sich Gewerkschaften einmischen, geht es um höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten.
Und wenn der solchermassen bereicherte finnische Papierarbeiter dann am Abend mit seiner Frau zum Feiern und zum Essen ausfährt (wer mag schon die ganze Zeit Lupinen essen?), fährt er dabei auch sein Dreiliterauto mal so richtig aus. Natürlich steht dann da flugs die Polizei und stellt ihm ein Ticket wegen Geschwindigkeitsüberschreitung aus. Und wenn er, sagen wir mal, 2,5 Millionen im Jahr verdient, ist er mit 100.000 dabei und das Staatsdefizit ist wieder im positiven Bereich. Umverteilung erst nach unten und dann wieder zurück. Nette Sache, das.

Und ungemein viel sympathischer als die in Deutschland vorherrschende Raffke-Mentalität. "Was? Meine Eigenheimzulage soll ich in Zukunft nicht mehr kriegen? Und was ist mit meinem Steuersparmodell mit Schiffsobligationen? Und für die Zweitwohnung in Garmisch soll ich jetzt auch noch Steuern zahlen?" Das alles, liebe Bundesbürger, liesse sich von vorneherein vermeiden, wenn man - wie im schönen quasisozialistischen Finnland - "ein Preisgefüge wie in der Schweiz und eine Lohnstruktur wie in Polen" hätte, wie mir ein Finne letzte Woche noch augenzwinkernd sagte. Der Finne arbeitet übrigens in Düsseldorf.

Im dritten Teil geht es um Alkohol, eine wahrhaft seltsame Sache namens "Jedermannsrecht" und um finnische Freizeitgestaltung.