7.6.05

zehn jahre nach dem goldrausch

und eh wir uns versahen war alles was wir konnten nur noch ein armseliges zucken.

was haben wir getönt. was gab es, was wir nicht hätten tun können? und was haben wir getan? die möglichkeiten waren endlos. und wir waren euphorisch. so beeindruckt von unseren optionen, dass wir völlig vergessen haben, wenigstens eine davon zu ergreifen. das wurde bald sehr langweilig für die möglichkeiten. sie warteten noch ein weilchen, und beschlossen dann, uns zu ergreifen. wahllos. und wir haben sie gelassen, uns greifen lassen und einfach getan was in den möglichkeiten stand. dabei haben wir vieles vergessen. zum beispiel die frage, ob es überhaupt unsere waren. und ob wir es nicht waren, die zugreifen wollten. und die initiative, die bei uns lag, früher.

jetzt sind wir alle irgendwas. und haben ein wenig mitleid mit leuten, die ihre yo la tengo platten bei ebay versteigern. die originale. und sie dann in einem "deep dish pie plate"-karton aus der "new traditions collection" verschicken. denn wir ahnen die geschichte dahinter. mit neuen traditionen haben wir zum glück nichts zu tun. und wenn schon: es gibt welten von möglichkeiten zwischen pieplatten und schallplatten. unsere haben uns immerhin luft zum atmen gelassen.

und so machen wir uns breit und fett und quaddelig in der hülle unserer möglichkeiten. schließlich sind wir irgendwas und müssen es füllen. wer weiss schon, wie wirs geworden sind? wer weiss schon was es noch so gab?das hier füllen wir jetzt. und dass die verbleibenden ritzen und lücken keiner bemerkt gehört, zu unseren größten sorgen. sonst ist das meiste egal.

sobald wir aktiv werden sind die beweggründe niedrig. ein paar kröten mehr für ein wenig mehr ersatzinhaltsstoff. wir legen sammlungen an. von dingen die uns beleuchten, ohne hinter uns zu blicken. affären, schallplatten, kinder oder tischdesign. sammlungen sind räumbar. in keller und kinderzimmer. in den weg und wieder heraus. der ersatz ist nach persönlicher vorliebe bunt auszumalen und bei bedarf vorzuweisen. falls mal jemand fragt was man so macht. das passiert zum glück selten. aber man weiss leider nie. kann sein, dass es bald mal wieder soweit ist.

also zucken wir mit geschulten reflexen nach mehr und tarnen es als lebensstil. wir zucken mit scheinbarer würde und voller selbstgewissheit. wir sind verliebt in unsere tarnung. fast noch mehr als in die der anderen. und wir hoffen mit unserem wissen allein zu sein. dass nichts dahinter steckt. keine vorstellung, wie es sein soll. keine lehre. kein ziel.

und wir glauben noch immer, wir könnten alles. weil alles immer weniger wird. denn alles ist das, was wir sehen. war unser ehrgeiz größer als unser talent? selbst das werden wir so nicht erfahren. keine fotos bitte. bis sich irgendwas regt.

7 Comments:

atompommes said...

meintest Du: "Inhaltsersatzstoff" (statt: "Ersatzinhaltsstoff")?

12:41 PM  
great dynamo said...

gibts da einen unterschied?

2:33 PM  
atompommes said...

Nur einen geringen, vermutlich. Wenn der Inhalt eh vorher schon Ersatz war, verschwindet er vollends.

Zu deinem letzten Punkt hat Ambrose Bierce den bösen Satz geschrieben "Ehrgeiz, masc. subst.: das, was der Mittelmässigkeit zum Erfolg verhilft." Erklärt im übrigen auch, warum ich heute als Projektmanager arbeite. Und nicht als Löwenbändiger, Cowboy oder Testpilot.

Ich glaube, es ist schwieriger, fucking brilliant zu sein und damit Erfolg zu haben, als mittelmässig zu sein und damit zu reüssieren. Die Lernkurve verläuft von dem Punkt an, wo man sagt: "Also gut. Ich probier's!" einfach steiler.

2:57 PM  
great dynamo said...

ich versteh den unterschied immernoch nicht.

da muss ich herrn bierce widersprechen: ehrgeiz gepaart mit mittelmäßigkeit führt zu nix. ebensowenig wie talent ohne ehrgeiz. oder mittelmäßigkeit ohne ehrgeiz. obwohl letzteres wenigstens noch ein gewisses seelenheil verspricht. und selbst talent mit ehrgeiz garantiert noch für garnichts. denn ehrgeiz ist nicht gleich zielstrebigkeit.

lernkurve ist kein ausreichend abschreckendes wort. es muss noch was anderes geben, was uns abhält.

5:23 PM  
atompommes said...

Ersatzinhaltsstoff: ein Inhaltsstoff ist ein Ersatz für einen anderen Inhaltsstoff. Ist anders, tut aber dasselbe. Wie beim Zaubertrank der Gallier, bei dem Miraculix das Petra Oleum durch Roterübensaft (?) ersetzt. Der Schwerpunkt liegt auf den für das Ergebnis identischen Eigenschaften der einzelnen Inhaltsstoffe.
Inhaltsersatzstoff: Ein - wie auch immer beschaffener - [urspünglicher] Inhalt ist durch etwas anderes ersetzt worden. Das legt aber keine 1:1-Beziehung oder Substituierbarkeit von Ausgangsstoff und Ersatzstoff nahe. Wie gesagt: ein marginaler Unterschied.

Und: Ehrgeiz gepaart mit Mittelmässigkeit kann immerhin noch zu einem "befriedigend" in Marketing führen. "Talent" ist eine Beobachterkategorie (ich hab' noch nie einen talentierten Menschen gesehen, der sich selbst "Talent" bescheinigt hätte). Mittelmässigkeit ohne Ehrgeiz unterstreicht Gottfried Benns Maxime "Dumm sein und Arbeit haben - das ist das Glück". Und Talent gepaart mit Ehrgeiz ist zwar nicht identisch mit Zielstrebigkeit, führt aber in vielen Fällen zu solcher.

Und was uns abhält (wovon eigentlich genau? Dieser Kern wird zusehends unsichtbarer[sic!]), ist z.B.: Opportunismus (Sinn für vermeintlich günstige Gelegenheiten), Spezialisierungsdruck (besser sich in einer neueren Nische einrichten als 250 Tonnen kanonisierte Literatur durcharbeiten müssen), Borniertheit (Das haben wir schon immer so gemacht, das haben wir noch nie so gemacht, da könnte ja jeder kommen, draussen gibt's nur Kännchen), Feigheit (wie ungeliebt kann ein Hobby werden, das man zum Beruf machen möchte?), Trägheit oder Bequemlichkeit (Morgen. Morgen mach' ich was. Heute bleib' ich lieber auf der Couch liegen).
Es ist immer weniger energieaufwendig und weniger riskant, einfach so weiterzumachen. So erzeugt man eine Zukunft, die immer an die Herkunft angekoppelt bleibt. Und die sich zur Not aus der Vergangenheit extrapolieren lässt, um den Anschein von Zukunftsfähigkeit zu wahren.

11:05 AM  
great dynamo said...

na dann: ersteres wird angestrebt, letzteres kommt heraus.

ich redete nur in beobachterkategorien. was sollte ich sonst tun? in diesem sinne beobachte ich ein befriedigend in marketing als ein ungefähres nix. nur durch eine vage befindlichkeit vom glück eines herrn benn zu unterscheiden.

opportunistisch, faul, borniert, feige, träge, bequem, risikoscheu. wie sind wir so geworden? und warum? an welch mausige herkunft schließen wir damit an?

3:29 PM  
atompommes said...

Du meinst: warum verkaufen wir die Sammlungen nicht (oder schmeissen sie weg), geben unseren gegenwärtigen Job auf, lösen die Wohnung auf, die wir bewohnen und fangen irgendwo anders ein anderes Leben an?
Hmmm. Weiss auch nicht so genau...

Was ich aber weiss, ist: Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.

10:09 AM  

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