30.5.05

Sprachlos oder was?

Anmerkungen zu unkommentierten Ereignissen

Ich wundere mich und prüfe den Grad der Angemessenheit, Besorgnis äußern zu müssen.

NRW hat gewählt, das Ergebnis vorhersehbar, aber immerhin. - Kein Kommentar, außer dem eher beiläufigen aber höchst amüsanten "organized failure".

Der Kanzler kündigt Neuwahlen an, nicht mehr so ganz selbstverständlich, auch wenn der/die eine oder andere hinterher zu Protokoll gibt, das habe er/sie kommen sehen. - Keiner sagt was.

Uli Hoeneß plaudert entspannt ins Mikrophon, auch Schiedsrichter seien nur Menschen und können mal Fehler machen. Natürlich erst nach Spielende, als klar war, dass diese verblüffende Anzahl an Fehlentscheidungen den Spielverlauf nicht entscheidend beeinflussen konnte. - Lohnt keine Nachbetrachtung.

Frau Merkel wird aller Voraussicht nach demnächst dieses Land regieren, wohlmöglich mit absoluter Mehrheit - Schweigen.

Daher von mir, dem momentan die Worte eher spärlich in die Tasten fallen, ein paar zähe Worte zum letzten Ereignis:
Frau Merkel werden seit einiger Zeit von Starcoiffeur Udo Walz die Haare frisiert, angeblich aus reinem Machtkalkül, weil man über einen derart fachkundig zugerichteten Haarschopf keine Witze mehr machen kann. Walz vs. Brioni also.
Weder Maggie Merkel noch sonstwer wird es schaffen, mit welchen Strategien auch immer Jobs in der Zahl zu produzieren, wie sie von Firmen wie Siemens, Grohe und Agfa alleine in der letzten Woche vernichtet wurden (oder in Kürze werden). Grohe z.B., einer der größten Hersteller von Badarmaturen auf gehobenem Niveau, will demnächst trotz positiver Bilanzen nur noch in China produzieren.
Oscar Lafontaine vertritt entgegen eigentlich aller anderen medienwirksam auftretenden Menschen der politischen Klasse die These, dass im digitalen Zeitalter durch mehr Wachstum NICHT mehr Arbeitsplätze entstehen werden (jedenfalls nicht in einer vernünftigen Relation und nicht hier in Deutschland).

Wohlmöglich hat er Recht.

Sollten wir der Finnland-Fraktion folgen (obwohl die Anzahl der Beiträge in diesem Forum nicht auf mangelnde Zeit aus Überbeschäftigung schliessen läßt) und es in Australien, Irland oder Kanada versuchen? Oder alles verkaufen und mit den Ersparnissen durch ein Leben als Strandbudenbesitzer auf Bali so lange wie möglich durchhalten. Ohne Blog und DVD-Recorder, Brennwertkessel und Uli Hoeneß, Gerd und Angela?

2 Comments:

atompommes said...

Oskar Lafontaine ist mit seiner Einschätzung nicht alleine. Vor kurzem ist ein interessantes Interview mit Jeremy Rifkin, einem US-Ökonomen, in der Stuttgarter Zeitung erschienen ("Langfristig wird die Arbeit verschwinden"): http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/916564?_seite=1 . Und auch immer wieder lesenswert ist "Die Risikogesellschaft" von Ulrich Beck aus dem Jahr 1986.

Aber ich sehe ein: wenn eine Immobilienfinanzierung heutzutage auf 28 oder 35 Jahre angelegt ist (und dabei von permanenter Vollbeschäftigung ausgeht), dabei die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent und die Ausgaben für Kraftstoff, Abwasser und Müllabfuhr ständig unverhältnismässig steigen, während für die Kinder üppige Studiengebühren gezahlt werden müssen, dann ist einfach kein Spielraum mehr für Selbstbeschränkungen vorhanden. Oder man kommt ruck-zuck zu einer wirtschaftlichen Scheinprosperität, wie sie in den USA und in Grossbritannien schon heute Realität sind: Wachstum per Kreditkarte. Die logische Folge: Überschuldung von Privathaushalten, Privatinsolvenzen.
Denmächst vielleicht auch in Ihrer CDU-Hochburg.

Unterdessen, in Finnland: meine Firma entlässt im März 8 Leute, der Süsswarenhersteller Leaf schliesst sein Werk in Turku (460 Arbeitsplätze), Nokia schmeisst im Bereich Multimedia in Deutschland und Finnland zusammen 400 Leute raus, der grösste finnische IT-Dienstleister, TietoEnator, entlässt 110 Leute in Finnland und der gegenwärtige Streik in Finnlands Papiermühlen und -fabriken kostet pro Woche 0,1 Prozent des jährlichen Wirtschaftswachstums. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Arbeitslosigkeit trotzdem von 10,6 auf 10 Prozent gefallen.
Die Immobilienpreise in der Metropolitan Area (Helsinki, Espoo, Vantaa) liegen bei durchschnittlich 2.386 Euro pro qm; die Mietpreise (Warmmiete) bei 12,86 Euro pro qm (beide Angaben für das Jahr 2004).

Und zum Thema "Grohe": McKinsey. Immer wieder McKinsey. Die eine Verlagerung von Arbeitsplätzen nach China empfehlen, ohne den Kaufkraftabfluss für Lahr und den Ortenaukreis zu bewerten. Entzieht sich ja auch der betriebswirtschaftlichen Verantwortlichkeit. Und schliesslich dient diese Verlagerungsmassnahme ja auch dazu, "langfristig Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern". Chapeau, McKinsey! Euer Management sollte entscheiden, eure Berater-Arbeitsplätze nach Estland zu verlegen. Ein Monatseinkommen beträgt dort etwa 500 Euro. Aber das entzieht sich schliesslich der betriebswirtschaftlichen Verantwortlichkeit. Und sichert langfristig Arbeitsplätze in Deutschland.
Schuldnerberatung, Zeitgestaltung und Altenbetreuung - absolute Boombranchen.

Nachtrag: Au weia! Bin gerade auf das FAZ-Interview mit Hans-Werner Sinn, dem Chef des Münchner ifo-Instituts gestossen (Google: neuwahlen vollbeschäftigung). Also doch: Wachstum auf Kreditkarte. Bzw. staatliche Alimentation von Niedriglöhnen. Die Immobilenpreise in Deutschland dürften demnächst wg. der Zunahme von Baupleiten sinken...

9:55 AM  
great dynamo said...

bin sprachlos. absolut. aber nicht nur wegen der oben angeführten kleinen und mittleren desaster, sondern wegen derer im mikrokosmos. und die summe der letzteren ergibt das große. und noch etwas mehr. oder so ähnlich. ohne im moment auch nur einen funken übersicht zu geniesen, würde ich sagen: in einem land, wo einem selbständige arbeit mit 130prozent einsatz im besten fall das einkommen eines mittleren büroangestellten ermöglicht, sollte sich über fehlende arbeitsplätze keiner wundern.

6:34 PM  

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