26.4.05

Am Kreuz



Nein, entgegen jeder hoffnungsvollen Erwartung im derzeitigen Katholizismushype verspricht der Titel keine nachfolgende Auferstehungsgeschichte: es würde ja auch alles etwas durcheinanderwirbeln, wenn Johannes Paul II. mir nichts dir nichts wieder erscheinen würde und Deutschland nur noch Vize-Papst wäre, wobei mit dem Ausdruck „Vize“ raffiniert eine an Eleganz sicherlich zu übertreffende Überleitung zum eigentlichen Thema geschaffen wird: jawohl, es geht um Leverkusen - und die erschütternde Tatsache, daß meine Heimatstadt dieser Tage doppelt so alt wird wie ich. Wenn der ein oder andere hier nun jubelnd meint, daß sich die Alterpräsidentschaftsdemarkationslinien aufgrund dieser erstaunlichen Information dramatisch in meine Richtung verschoben hätten, muß ich allerdings mit dem Sahnehäubchen dieser Rechnung kontern: Leverkusen feiert dieses Jahr mit stolzer Brust seinen 75. Geburtstag -und dabei hab ich keine Null vergessen, was man nebenbei bemerkt, ruhig öfters im Leben tun sollte, besonders, wenn es sich nicht um Zahlen dreht!
75 - ein triftiger Grund, einmal genauer in die zumindest virtuellen Geschichtsbücher zu schauen. Wikipedia liefert dem Städteequivalent der bedeutungslosen Mittelmäßigkeit eine maßgeschneiderte Beschreibung:

„Das Mittelzentrum nordöstlich von Köln zählt aufgrund der Einwohnerzahl (etwa 162.000) zu den kleineren Großstädten des Landes. Die Großstadtgrenze 100.000 Einwohner erreichte die Stadt im Jahre 1963. Bekannt ist Leverkusen vor allem durch den Konzern Bayer AG und dessen Sportverein Bayer 04 Leverkusen, sowie dem Autobahnkreuz Leverkusen. Hier treffen die A1 und die A3 aufeinander.“

Wieso nur gibt es keinen Link auf das Autobahnkreuz, dem als Aushängeschild der Stadt doch immerhin eine recht minutiöse Beschreibung zu Teil wird? Wobei zu den Autobahnen gar prächtig passt, daß man –wie einer Auflistung auf der Seite zu entnehmen ist- als einen der ersten naßforschen Schritte der Stadtgeschichte einen gewissen A.Hitler zum Ehrenbürger ernannt hat – nun aber das und die spätere Aberkennung desselbigen Titels als kleine Luxuseskapade haben sich ja auch ganz andere Städte wenige Kilometer die einzig wahre Rheinseite hinauf geleistet...

Und als bekennende, langjährige Jahreskarteninhaberin des ansässigen Fußballvereins (ich war jung und ich hatte das Geld und dann ist es irgendwann einfach so selbstverständlich wie das Zähneputzen) wünschte ich, man hätte das ein oder andere das eigentliche Ziel knapp verfehlende Ereignis mit einem ähnlich schönen Titel belegt wie „kleinerer Großmeister“, was doch irgendwie viel netter klingt als das böse, bereits erwähnte „Vater-F“-Wort.

Die Liste der berühmten Bauwerke schreibt eine ähnlich traurige Bilanz:

„Das bekannteste Wahrzeichen der Stadt Leverkusen ist das weithin sichtbare Bayer-Kreuz auf dem Werksgelände der Firma Bayer AG. Dabei handelt es sich um eine Großlichtanlage, die bereits 1933 von Carl Duisberg aufgestellt wurde. Sie war damals die größte freischwebende Leuchtwerbung der Welt. Doch musste die Anlage nach Kriegsbeginn 1939 abgeschaltet werden und wurde 1944 sogar demontiert. Im Jahre 1958 konnte das neue Bayer-Kreuz jedoch wieder in Betrieb genommen werden.“

Von einer Stadt, in der das berühmteste Bauwerk nüchtern wieder „in Betrieb“ genommen werden konnte, kann man letztendlich auch keine späteren architektonischen Geniestreiche erwarten. Wie sollte sie die Postmoderne verkraften, wenn sie keine Moderne hatte? So bleibt eben doch nur die beruhigende wikipedsche Feststellung: „Das eingeschaltete Kreuz ist in der Nacht mehrere Kilometer weit zu sehen.“

Letztendlich sind es also nicht nur ein, sondern gleich zwei Kreuze, die ich zugebenerweise als Aixil-Leverkusenerin mit mir herumschleppe – und dieses billige, in weiten Aachener Kreisen verachtete Wortspiel muß man mir schlicht nachsehen: ich bin nun einmal geprägt von einer Stadt, in der das Freizeitbad „CaLevornia“ direkt neben der „BayAre(n)a“ liegt und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Bismarck-Straße (denn der war ja nun eindeutig auch vor 1930), an der sich beide Lokalitäten befinden, in Funset-Boulevard umbenannt wird, wo ich nur allzu gerne einen Stern, meine 2 Handabdrücke und 3 Kreuze als Unterschrift hinterlassen würde!


P.S. Ja, ich weiß, daß das eindeutig zu lang ist, aber ich üb ja noch!

6 Comments:

eliasweltweit said...

Eins: Wer ist die Frau ohne Foto?
Zwei: Hey, da habe ich glatt 'was gelernt beim Lesen dieser Abhandlung!
Drei: Ich weiß dafür, warum das Bayer-Kreuz zu bestimmten Zeiten abgeschaltet wird, obwohl wir schon lange keine Flieger-Alarm mehr hatten. Will es einer wissen?
Vier: Mir fehlt in der Chronologie einer der berühmtesten Leverkusener, der sich jetzt anschickt, den Düsseldorfer Fussball zu retten: Rainer Calmund!

10:40 PM  
forgetaboutit said...

Zu drei: das hat mir Wikipedia verschwiegen, aber ich würde tippen, daß es etwas unspektakulär mit den sommerlichen Insekten zu tun hat?

Zu eins und vier: das Foto, das irgendwie im virtuellen Stau steckt, bietet erstaunlicherweise beides ;-)

10:59 PM  
Der Klappermax said...

Als Aix-Aix la Schrapnell-Bewohner ist mir das Wortspiel bekannt, habe es aber seit Jahren nicht mehr hören dürfen. Also, Merci bien.
Zu dem Bayer-Kreuz habe ich nur das Verhältnis: Immer wenn ich von Norden das Kreuz habe rechts liegen lassen, hatte ich noch eine Stunde Fahrt bis ins schöne Aix la ...

10:06 AM  
atompommes said...

Immerhin und gottlob gibt's Menschen, die ihre Energie auch kleinen und feinen Dingen widmen. "Mittelzentren", zum Beispiel. Da lacht mein Geographenherz.
Und zumindest den Link zum Autobahnkreuz kann ich liefern: http://www.leverkusen.com/guide/Archiv1.txt/Lev00160.html
Wenn auch die Site dahinter etwas fragwürdig erscheint (zumindest ist sie die erste und einzige, auf der ich bislang echte Werbung für ein Betsattungsunternehmen gefunden habe - gestorben wird also auch in Leverkusen praktisch immer).

Und zu drei: Ja bitte! Verrat's uns!

11:08 AM  
eliasweltweit said...

das mit dem Foto hat ja ruckzuck geklappt - ich bin angetan!
Zu drei: Die Zugvögel werden durch das leuchtende Monster vom Kurs abgebracht, daher gibt es im Frühjahr und Herbst eine nächtliche Auszeit.Bayer und der Umweltschutz...

1:16 PM  
eliasweltweit said...

und der Calli im Hintergrund ist natürlich 1A!

3:43 PM  

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